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Fernseh-Dokumentation

Aus Sindelfingen zur Weltkarriere in Hollywood: Roland Emmerich wird 70

Eine Arte-Dokumentation porträtiert Deutschlands wohl bekanntesten Regisseur und die SZ/BZ hat einen kleinen Anteil daran.
Von Tim Schweiker

Sindelfingen. Seine Filme wie „Independence Day“, „The Day After Tomorrow“ und „2012“ wurden von Kritikern als Popcorn-Kino abgetan, haben aber weltweit Milliarden eingespielt. Angefangen hat diese Weltkarriere einst in Sindelfingen. Eine Dokumentation „Roland Emmerich - Weltenzerstörer, Weltenerbauer“ für den Fernsehsender Arte zeichnet annlässlich von Emmerichs 70. Geburtstag am 10. November, diese Laufbahn nach. Einen kleinen Anteil an dem Film hat auch die SZ/BZ.

Der Film von Regisseurin Viola Löffler, den die Firma Kontrastfilm produziert hat, zeichnet die ereignisreiche Karriere des 1955 in Stuttgart geborenen Roland Emmerich nach, der am Sindelfinger Pfarrwiesen-Gymnasium sein Abitur baut, anschließend an der Filmhochschule München studiert und gleich mit seinem Abschlussfilm „Das Arche Noha Prinzip“ Furore macht.

Abschlussfilm mit Riesenbudget

Der Film wird in der ehemaligen Sindelfinger Concordia-Waschmaschinenfabrik gedreht, in der Geschichte um eine von Menschen verursachte Naturkatastrophe spielt der junge Richy Müller - heute längst nicht nur als Stuttgarter Tatort-Kommissar einem Massenpublikum bekannt - einen Astronauten, der über die Einflussnahme von Mikrowellen auf das Klima und Wettergeschehen forscht und miterlebt, wie das Militär die Wetterkontrolle missbräuchlich einsetzt und es in Indien vorzeitig zum Einsetzen des Monsuns kommt.

Für studentische Abschlussfilme ist damals ein Budget von 20.000 Mark üblich. Emmerich braucht für sein Spektakel voller Spezialeffekte satte 1,2 Millionen Mark. Emmerich tauft die Concordia-Halle damals auf den Namen DL-Studio, wobei die Initialen sich auf „Deadline“ beziehen und an den Abriss der Halle nach Ende der Dreharbeiten erinnern. Professionelle Schreiner, Maler und Zimmerleute bauen für den Film die Forschungsstation „Florida Arklab“ zusammen, deren Inneneinrichtung aus Styropor-, Holz- und Kunststoffteilen besteht und zusammen mit ausrangierten Computermonitoren und blinkenden Lämpchen die Illusion einer Raumschiff-Kommandozentrale schaffen.

Die SZ/BZ schaut Roland Emmerich von Anfang an über die Schulter. Reporter Peter Bausch und Fotograf Friedrich Stampe steigen ein, als Roland Emmerich im Juli 1984 die Dreharbeiten für „Joey“ startet. „Ein schwarzer Cadillac steht in der Sindelfinger Ausstellungshalle“, schreibt die SZ/BZ am 25. Juli 1984: „Mitten im Raum ist ein ewig langer Krankenhausgang aufgebaut. Mit dem Lastwagen kommen die Requisiten: eine Geschirrspülmaschine, ein Wasserspender - alles aus den USA.“

Der Weg nach Hollywood

Roland Emmerich bleibt Sindelfingen vorerst verbunden. „Joey“ feiert 1985 noch die Weltpremiere im Neuen Central Sindelfingen, aber die Produktion „Moon 44“, die im Stuttgarter Atrium-Kino Premiere feiert, öffnet dem Regisseur 1990 den Weg nach Hollywood. Der Sindelfinger entscheidet sich auch aus einem anderen Grund für Amerika. „Mir war schon immer klar, dass ich homosexuell bin, aber ich wollte auf keinen Fall der typische schwule Regisseur sein“, sagt er 2019 im Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Zwei der Fotos, die Friedrich Stampe in den achtziger Jahren von Roland Emmerich macht, finden in der Arte-Dokumentation Verwendung. Simone Gemmer von der Produktionsfirma Kontrastfilm hatte sich auf der Suche nach der Urheberschaft der Fotos an die SZ/BZ gewendet.

In Sindelfingen macht sich Roland Emmerich freilich rar, seitdem er mit „Independence Day“ 1996 oder mit „The Day After Tomorrow“ 2004 weltweit Kino-Geschichte schreibt. Zwar gibt es immer wieder mal private Besuche bei der Familie, doch die immer wieder kolportierte Ankündigung, der berühmte Sohn der Stadt werde einmal bei der Weihnachtssession auftauchen, bleiben Gerüchte. „Stammgast in der Stadthalle ist dagegen Hubert Bartholomä, bei den ersten Emmerich-Projekten für Musik oder Spezialeffekte zuständig, und Spender für den Mini-Roboter zur Ausstellung des Stadtmuseums Sindelfingen über die 1970er Jahre, in der Roland Emmerich noch als Maler in der Galerie Claqoise am Domo auftaucht, schreibt Peter Bausch 2019 in der SZ/BZ anlässlich des Starts des Emmerich-Films „Midway“.

Der „Popcorn-Regisseur“

Für ihre Dokumentation nähert sich Viola Löffler auch dem privaten Roland Emmerich. Zu Wort kommen in ihrem Film auch Wegbegleiter aus Hollywood wie Bill Pullman und Dean Devlin. Gemeinsam mit ihnen und Emmerich blickt die Dokumentation auf die legendärsten Szenen seiner Filme zurück. So erleben die Zuschauer hautnah, wie der Regisseur seine Filmwelten erschafft. Sie zeigt, wie er seine Themen auswählt, die Schauspieler inszeniert und die Bilder erschafft.

„Wir porträtieren Emmerich nicht nur als brillantes Film-Genie, sondern auch als Popcorn-Regisseur, der vor allem Erfolge feiert, wenn er, wie bei „Independence Day“ oder „2012“, auf das große Spektakel setzt. Sobald er leisere Töne anschlägt, wie bei „Stonewall“ oder „Anonymous“, können auch seine Filme floppen“, sagt Regissuerin Viola Löffler.

Wieso vertraut man ihm dennoch immer immer wieder das nächste Big-Budget-Projekt an? Nach welchen Regeln funktioniert das Filmbusiness? In „Roland Emmerich – Weltenzerstörer, Weltenerbauer“ gewährt er Einblicke in die manchmal glamouröse, immer harte und zuweilen zarte Welt hinter der Leinwand.

Der Regie-Star, der einst auch Fotomodell für die Solo-Mopeds des elterlichen Betriebs in Maichingen war, hatte schon in seinem Filmstudium keine Scheu vor großen Namen. Mit Oswald von Richthofen und Schauspielern wie Beate Maier, Axel Behrendt oder Horst Jantschek sowie Kameramann Egon Werdin präsentiert er 1979 das Erstlingswerk „Franzmann“ im Neuen Central-Kino von Klaus Pellkofer am Sindelfinger Marktplatz.

Info

Roland Emmerich - Weltenzerstörer, Weltenerbauer: TV-Ausstrahlung am Mittwoch, 5. November um 22.20 Uhr auf Arte, anschließend in der Arte-Mediathek zu sehen.

Auch die ARD hat eine Dokumentation zu Emmerichs 70. Geburtstag im Programm: Der Film „Meister der Apokalypse – Roland Emmerich“ von Jo Müller ist am Montag, 11. November um 23.35 Uhr im Ersten zu sehen und in der ARD-Mediathek verfügbar.