

Böblingen. Über 100 Tänzerinnen und Tänzer haben Dienstag am Böblinger Elbenplatz ein Zeichen gesetzt gegen Gewalt an Frauen und Mädchen: Als eine von über 150 Aktionsbündnissen in Deutschland nahm die Initiative „One Billion Rising im Landkreis Böblingen“ an der choreographisch in Szene gesetzten Protest-Aktion teil, die weltweit in diesem Jahr unter dem Motto „Rise for Freedom“ stand.
Jeden Tag gibt es in Deutschland einen polizeilich registrierten Tötungsversuch an einer Frau. Jeden dritten Tag bleibt es nicht beim Versuch, so die Statistik des Bundeskriminalamts. Dass Gewalt gegen Frauen auch in Deutschland struktureller Teil des Alltags ist, zeigt sich nicht nur an dieser erschütternd hohen Zahl von Femiziden – also wegen ihres Geschlechts getöteter Frauen und Mädchen. „Jede dritte Frau ist von Gewalt betroffen“, sagt Monika Becker Leiterin der Beratungsstellen „Amila“ bei Häuslicher Gewalt und „Thamar“ gegen sexualisierte Gewalt.
„Weltweit werden Frauen psychisch unter Druck gesetzt, geschlagen, zu sexuellem Kontakt gezwungen, vergewaltigt oder in anderer Form misshandelt“, so Monika Becker. Auch in Deutschland sei die Alltäglichkeit sexualisierter Gewalt erschütternd, so die Sonderpädagogin mit zahlreichen Zusatzqualifikationen, darunter Traumatherapie: Aufgrund der bekannten Zahlen sei davon auszugehen, „dass es in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder gibt, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind“ - diese Statistik beziehe sich auf Mädchen und Jungen.
Eine erschreckende Situation im Landkreis Böblingen ermittelte letztes Jahr eine kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian Wahl an die Landesregierung, die nach aktuellen Zahlen zu sogenannter „Partnergewalt“ gefragt hatte – unter diesem Begriff erfasst die Polizeiliche Kriminalstatistik „Übergriffe auf Frauen im persönlichen Nahbereich“. Ergebnis: Obwohl die Häufigkeit erfasster Partnergewalt während der letzten drei Jahre in ganz Baden-Württemberg etwas sank, gab es im Landkreis Böblingen doppelt so viele Fälle. „Dass für diese erhebliche Diskrepanz keine Begründung geliefert wird, finde ich überraschend“, so Florian Wahl, der bei „One Billion Rising“ am Böblinger Elbenplatz ebenfalls am Start ist.
Im Jahr 2012 initiierte die US-amerikanische Dramatikerin und Feministin Eve Ensler die Flashmob-Aktion „One Billion Rising“, um weltweit auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen und dagegen zu protestieren – der Name bezieht sich auf eine Statistik der Vereinten Nationen, laut der weltweit eine von drei Frauen im Laufe ihres Lebens vergewaltigt oder geschlagen wird – also gut eine Milliarde.
Seit einigen Jahren ist auch Böblingen bei der Aktion am Start, die weltweit jedes Jahr am 14. Februar stattfindet: Hier zeichnet die Initiative „One Billion Rising“ für die Organisation der Tanz-Aktion mit Vorträgen verantwortlich.
Dabei handle es sich um eine Vernetzung vom „Arbeitskreis (AK) Mädchen im Landkreis Böblingen“ mit weiteren Frauenverbänden, erläutert Sevgi Turhan, Mitarbeiterin des Böblinger Jugendhauses Casa Nostra, die selbst Teil des „AK Mädchen“ ist – einem Zusammenschluss von Pädagoginnen und Einrichtungen, die Mädchenarbeit anbieten, unter der Federführung der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Melitta Thies.
Um den Böblinger Flashmob zu „One Billion Rising“ in diesem Jahr auf die Beine zu stellen, haben sich als federführende Organisationen die Beratungsstellen „Thamar“ und „Amila“, pro familia, der AK Mädchen, Bündnis 90/Die Grünen, die Frauen-Union der CDU und der Frauenverband Courage zusammengeschlossen.
Die Choreographie zum offiziellen Song „Break the Chains“ bringt diesmal die Tanzlehrerin Angelika Büttner von der Tanzschule Bode mit ihren Tänzerinnen Lisa-Marie Haug, Paula Ertelt, Chiara Winz und Vanessa Salfeld auf den Elbenplatz.
Info: „Amila – Beratungsstelle bei Häuslicher Gewalt“ ist unter amila-beratung.de im Internet zu finden und unter 07031/632808 telefonisch zu erreichen. „Thamar – Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“ bietet unter www.thamarhilfeclick.de Online-Beratung an, und ist unter 07031/222066 telefonisch zu erreichen.