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Vor 80 Jahren im Zweiten Weltkrieg

Im Februar 1942 wurden in Sindelfingen die Schulen geschlossen

Langzeitprojekt „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ des Stadtmuseums
Von Illja Widmann*
So sahen 1942 Schulranzen aus.   Bild: Stadtmuseum Sindelfingen

So sahen 1942 Schulranzen aus. Bild: Stadtmuseum Sindelfingen

Sindelfingen. Das Stadtmuseum Sindelfingen befasst sich von September 2019 bis Mai 2025 unter dem Titel „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs und wie sich damals die Situation für die Menschen vor Ort darstellte. Dazu wird monatlich ein Objekt oder Thema in den Mittelpunkt gestellt, das vor 80 Jahren relevant war und auf das analog im Stadtmuseum Bezug genommen wird.

So entsteht eine Reihe mit 69 Beiträgen, die monatliche Blitzlichter auf die Zeit von September 1939 bis Mai 1945 wirft und das damalige Geschehen auf lokaler Ebene lebendig werden lässt. Die Objektauswahl erfolgt anhand der Sammlungsbestände von Archiv und Museum. Darüber hinaus werden auch Erinnerungsorte einbezogen und, begleitend zum Projekt, Gespräche mit Zeitzeugen geführt und aufgezeichnet. Das Thema im Monat Februar 2022 lautet „Schließung der Schulen“. Die zugehörige Vitrine im Sindelfinger Stadtmuseum ist seit dem 25. Februar 2022 dem Publikum zugänglich. Die Texte sind auch auf der städtischen Homepage nachzulesen.

Der dritte kalte Winter in Folge

„Im Februar 1942 litt die Bevölkerung nicht nur in Württemberg unter dem dritten extrem kalten Winter in Folge. Im Januar 1942 wurde in München mit Minus 30,5 Grad die kälteste jemals gemessene Temperatur in der Stadt erreicht. Die Wintermonate von 1939 bis 1942 zählen zu den kältesten Wintern in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1881. Neben der Kälte erschwerten auch starke Schneefälle den Alltag.

Kriegsbedingt wurde in den Zeitungen über diese Erschwernisse des täglichen Lebens jedoch nicht berichtet. So wie grundsätzlich keine Wetterberichte veröffentlicht wurden, um Feinden keine Informationen zu liefern. Im Gemeinderatsprotokoll vom 19. Februar 1942 ist unter § 25 Verschiedenes lediglich Folgendes zu erfahren: „Aussprachen erfolgen noch über die durch den außerordentlichen Schneefall eingeleiteten Maßnahmen zur Schneebeseitigung.“

Am selben Tag nahmen die Ratsherren „…von der Mitteilung Kenntnis, dass auf Anordnung der Gauleitung der N.S.D.A.P. die Schulen allgemein zu schließen sind und dass hier diese Maßnahme durchgeführt ist mit der Ausnahme, dass der Betrieb der gewerblichen Berufsschule mit Webschulabteilung und der Frauenarbeitsschule weitergeführt werde.“ Dabei wurde jedoch nicht erwähnt, dass die Schulen aufgrund von Kohlemangel geschlossen werden mussten.

Am 10. Februar 1942 wurden die Bürgermeister und Schulleiter im Kreis Böblingen vom Kreisleiter wie folgt informiert: In Anbetracht der anhaltenden Kälte und damit verbunden der Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung bin ich leider gezwungen, die Schließung aller Schulen, mit Ausnahme der unten erwähnten, bis auf weiteres anzuordnen. Der Herr Landrat ist damit einverstanden. Es können weiterhin geöffnet bleiben: Die Maturitäts-Klasse der Oberschule in Böblingen… Die Frauenarbeitsschulen, soweit die Gemeinden dies verantworten können…“

Aufforderung, Kohle zu sparen

Privathaushalte und Industriebetriebe wurden aufgefordert Kohle zu sparen. Die Menschen sollten nur soweit es dringend erforderlich war heizen und kochen. Aufgrund der schwierigen Witterungsbedingungen kam es zum Beispiel in Stuttgart zusätzlich zu Engpässen bei der Kohlelieferung. Hier waren die Schulen bereits Ende Januar geschlossen und der Bus- und Bahnverkehr stark eingeschränkt – neben Kraftstoff fehlten kriegsbedingt auch Schaffner und Fahrer.

Die Bevölkerung erfuhr im Januar 1942 eine Reihe weiterer Einschränkungen: Ab 1. Februar wurde Tabak rationiert und die „Raucherkontrollkarte“ für Männer ab 18 Jahre und Frauen ab 25 Jahre eingeführt. Da der Erhalt der Tabakkarte an die Ausgabe der Dritten Reichskleiderkarte gebunden war, konnten auf diese Weise Juden und weitere Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen werden. Am 9. Februar erfolgte das Verbot privater Fahrten mit dem Auto. Das Fahrzeug durfte nur zu „kriegs- und lebenswichtigen Aufgaben“ betrieben werden. Alle anderen Fahrten wurden verboten. Am 19. Februar gab es eine weitere große Einschränkung: „Unnötige Reisen müssen unterbleiben…Der Staatssekretär für Fremdenverkehr gibt bekannt: Im Hinblick auf die dauernde Überfüllung der D-Züge wird eindringlich davor gewarnt, Reisen ohne zwingenden Grund zu unternehmen…Der Platz in den Fremdenverkehrsorten und vor allem auf der Eisenbahn gehört den Soldaten und den Volksgenossen, die mit kriegswichtiger Arbeit beschäftigt sind.“ (NS-Kurier)

Insgesamt zeigten sich in immer stärkerem Maße die Einschränkungen im Alltag auch in Sindelfingen. Sie hatten Auswirkungen auf viele Lebensbereiche und waren ideologisch durchdrungen. Verzicht gehörte zum „Pflichtprogramm“ der NS-Herrschaft.

(*Illja Widmann ist die Leiterin des Stadtmuseums Sindelfingen.)