"Montagsspaziergänge": Appell für gegenseitigen Respekt und Toleranz
Kreis Böblingen. Die Polizei beobachtet seit mehreren Wochen eine stetige Zunahme von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre kritische Haltung zu Corona-Maßnahmen und insbesondere zur viel diskutierten Impflicht durch ihre Teilnahme an sogenannten „Spaziergängen“ zum Ausdruck bringen (Archivbild: Dettenmeyer). Allein am vergangenen Montag fanden im Kreis Böblingen zwölf dieser Spaziergänge mit rund 2700 Teilnehmenden statt. Mittlerweile werden sie aber nicht nur montags, sondern auch an anderen Wochentagen durchgeführt.
Das Polizeipräsidium Ludwigsburg geht grundsätzlich davon aus, dass die Spaziergänge schon aufgrund ihrer regelmäßigen Wiederholung und der durchgängigen Themen „Corona, Impfung und Grundrechte“ einen grundrechtlich relevanten Versammlungscharakter entwickeln und damit anmeldepflichtig, jedoch nicht genehmigungspflichtig sind. Diese Versammlungen wurden bislang jedoch nahezu ausnahmslos nicht angemeldet und die Versammlungsbehörden hatten damit keine Möglichkeit, im Vorfeld auf eine verantwortliche Person zuzugehen und beispielsweise Auflagen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung zu erlassen.
Der Umstand, dass eine Versammlung nicht angemeldet wurde, ist jedoch für sich allein noch keine hinreichende Begründung für ein Verbot oder eine direkte Auflösung. Gleichwohl ist es Aufgabe der Polizei, ordnungs- und verkehrspolizeiliche Maßnahmen zu treffen sowie möglicherweise notwendige Beschränkungen zum Infektionsschutz kurzfristig festzulegen. Diese Beschränkungen können auch den Versammlungsort betreffen. So kann die Polizei eine Versammlung gegebenenfalls stationär halten oder eine Aufzugsstrecke vorgeben.
Die polizeiliche Auflösung einer nicht angemeldeten Versammlung kann unter dem Corona-Aspekt in Abwägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles einschließlich des aktuellen Infektionsgeschehens in der Regel nur dann erfolgen, wenn von Seiten der Teilnehmenden durchgängig gegen jedweden Infektionsschutz oder massiv gegen Auflagen während der Versammlung verstoßen wird. Dass einzelne Teilnehmende sich nicht korrekt verhalten, führt in aller Regel noch nicht zur Auflösungsmöglichkeit.
In jüngster Vergangenheit fanden in mehreren Kommunen nunmehr auch Versammlungen von Befürwortern der Corona-Maßnahmen statt. Im Gegensatz zu den Spaziergängen wurden diese Versammlungen bislang angemeldet, die Teilnehmenden halten sich an Auflagen der Versammlungsbehörde und beachten auch ohne polizeiliche Aufforderung die Maßnahmen zum Infektionsschutz.
Der Polizei als neutralem Garant der Versammlungsfreiheit kommt grundsätzlich die Aufgabe zu, für einen störungsfreien Verlauf aller Versammlungen zu sorgen und den Teilnehmenden die Ausübung ihrer grundrechtlich verbrieften Versammlungsfreiheit zu ermöglichen. Polizeipräsident Burkhard Metzger erläutert dazu: „Zusammen mit den Kommunen und dem Landkreis beobachten wir die Entwicklung der Versammlungen zu den Corona-Maßnahmen sehr genau. Unser auf Kommunikation und Deeskalation ausgerichtetes Konzept hat sich als sehr tragfähig erwiesen und alle bisherigen Versammlungen sind nahezu störungsfrei verlaufen. Ich kann daher die gemeinsame Erklärung des Landrats und der Bürgermeister im Landkreis Böblingen nur unterstützen und an die Teilnehmenden künftiger Versammlungen appellieren, den Weg von Toleranz und Respekt auch gegenüber Andersdenkenden nicht zu verlassen.“
Metzger macht aber auch unmissverständlich deutlich, „dass unsere Einsatzkräfte konsequent einschreiten werden, sollte es durch Versammlungsteilnehmende zu gravierenden Ordnungsstörungen oder strafbaren Handlungen kommen.“ Im Einzelfall könne eine Auflösung durch die Polizei in Betracht kommen, wenn die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt, unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmenden besteht, umfassend gegen Strafgesetze verstoßen wird oder wenn in der Versammlung zu Straftaten aufgefordert oder angereizt wird.