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Genuss-Experte

Spitze Feder, feiner Gaumen: SZ/BZ-Redakteur Hansjörg Jung geht in den Ruhestand

Wäre Hansjörg Jung ein Wein, wäre er ein Cuvée. Für eine bestimmte Traube hat er viel zu viele Noten. Nach 37 Jahren bei der SZ/BZ geht der Redakteur jetzt in den Ruhestand.
Von Jürgen Wegner

Sindelfingen. Wein und Wildschwein, Heimatgeschichte und Lokalpolitik, Gremiengeflüster und Baustellenlärm – 37 Jahre lang war unser „jj“, wie unter seinen kürzeren Artikeln stand, fester Bestandteil der Redaktion und nach außen „ein Gesicht unseres Hauses“, wie Verleger Dr. Christian Röhm sagt. Dabei war dieser noch nicht einmal geboren, als Hansjörg Jung seine ersten Artikel schrieb. Fast vier Jahrzehnte später geht dieser in den Ruhestand.

An seine erste Geschichte überhaupt kann sich der heute 65-Jährige nicht mehr erinnern. Im November 1985 muss das gewesen sein, da beginnt sein Praktikum. Seinen ersten Aufmacher, also die große Story, die einer Seite Halt gibt, schreibt er über den Besuch des Forschungsministers Heinz Riesenhuber. Der Mann mit der Fliege schaut damals bei HP vorbei, in Zeiten, als keiner ahnt, wohin die digitale Reise geht. Hansjörg Jung tippt die Geschichte ins erste Redaktionssystem des Röhm-Verlags überhaupt: „Cosy 2000“, grauer Kasten, schwarzer Bildschirm, grüne Zeichen und eckige Klammern, die den Schriftgrad definieren.

Die Schwerpunkte

Am 1. Juni 1986 setzt der Haslacher seine Unterschrift unter den Redakteursvertrag. Dabei hatte er eigentlich anderes vor, weshalb er in Tübingen Amerikanistik und Sportwissenschaften studiert hat. „Ich wäre bestimmt ein guter Lehrer geworden, aber der Staat wollte mich nicht“, sagt er. Stattdessen heuert er unter dem Senior-Senior-Verleger Werner Röhm an, was sich als Glücksfall für Kollegen und Leser herausstellen soll. Frühe Schwerpunkte setzt er in der Kommunalpolitik in Böblingen und auf der Schönbuchlichtung, thematisch ist er zuhause, wo es um Heimat und deren Geschichte geht. Um die Natur und deren Zusammenhänge. Um die Landwirtschaft und hoffentlich gute Ernten. Vor allem aber in der Welt des Genusses.

Schau doch mal rein: Hansjörg Jung hat gerne Spaß. Bild: privat

Auf diesen Gebieten sind die Kenntnisse sagenhaft, vor allem aber der Spaß daran und die Bereitschaft, immer dazuzulernen. „Beruf und Berufung kommen hier zusammen“, sagt Verlagsleiter Hans-Jörg Zürn zum Abschied. Gleicher Jahrgang, steter Wegbegleiter, dabei schätzt er immer die Diskussionskultur und den Perspektivenwechsel des Kollegen, „auch wenn das manchmal so lange ging, dass es nervte“, so Hans-Jörg Zürn. Mit einem „I frog jetz' nix meh'“, stieg Hansjörg Jung aus, wenn man ihn nicht überzeugen konnte. Nachgeben ist auch eine Kunst.

Buchautor

Aber auch, am Ball zu bleiben, sonst hätte er keine Bücher schreiben können. „Weine Winzer Württemberg“: Für den Beweis, dass es bei uns viel mehr gibt als den Trollinger, ist er auf Achse vom Bodensee zum Heilbronner Land. Er trägt die „Lieblingsplätze Schönbuch“ zusammen, was sich anbietet, weil er diesen Forst aus dem Effeff kennt. Und aus seiner langjährigen Zeitungs-Küchenrezept-Serie „Topfgucker“ wird das Buch „Gerüchteküche“ voller kulinarischer Schätze für zuhause. Dass aus seinem „Schönen Süden“ das Magazin „Erleben – Touren. Natur. Genuss.“erwächst, ist eine reife Leistung. Und im Geschichtspodcast „Damals“ haben Hans-Jörg und Hansjörg noch lange nicht alles erzählt. Fortsetzung folgt.

Handballer, Federballer, Musiker, Ehemann, Familienvater, Bücherwurm und Alltagslyriker: Auch diese Noten deckt Hansjörg Jung ab, mittlerweile selbst Wengerter mit kleinem Weinberg. Wer ihn kennt, der weiß: Er wird seine Träubchen liebevoll behandeln. Weil er den Wortwitz liebt, die Sprache pflegt und den Kontakt zu den Menschen schätzt, für Nachbarn in Not die Erbsensuppe gerne schöpft und beim Fischerstechen am Oberen See in Böblingen immer am Start war, ist es keine Hülse, wenn er sagt: „Die Chinesen sagen, die Erinnerung malt die Vergangenheit mit goldenem Pinsel. Aber wenn ich selbst spät in der Nacht pfeifend nach Hause fuhr, weiß ich: Ich war immer gerne Redakteur.“

Es ist noch Suppe da: Hansjörg Jung schwingt die Kelle für Nachbarn in Not. Bild: Stampe

Als der Lange See auf dem Flugfeld einst sein Wasser bekommt, liefert Hansjörg Jung einen fein recherchierten Beitrag. Es geht um Potenziale und Perspektiven, ein starkes Stück, es braucht einen starken Titel. Hansjörg Jung bemüht den Klassiker von Dieter Hallervorden und Helga Feddersen. Er schreibt drüber: „Die Wanne ist voll, uh, uh, uh.“ Auf das uh, uh, uh legt er Wert, sonst macht er nicht mit. Das spricht Bände.