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SZ/BZ-Bürgerbarometer (Teil 31): Wie beurteilen Sindelfinger die Amtsführung von OB Dr. Bernd Vöhringer?

Der OB bekommt die Unzufriedenheit zu spüren

Im Gegensatz zu 2019 steht nur noch ein Viertel der Sindelfinger hinter der Amtsführung von Dr. Bernd Vöhringer.
Von Jürgen Haar
Bild: Dettenmeyer

Bild: Dettenmeyer

Sindelfingen. Das ist kein gutes Zeugnis für OB Dr. Bernd Vöhringer: Nach dem Ergebnis des SZ/BZ-Bürgerbarometers ist nur ein Viertel mit der Amtsführung des Stadtoberhaupts zufrieden. Über die Hälfte antworteten auf die Frage „Ich bin mit der Amtsführung des OB zufrieden“ mit „Trifft nicht zu“ (21,6 Prozent) oder „Trifft überhaupt nicht zu“ (34,3 Prozent).

Das war 2019, beim letzten Bürgerbarometer, noch ganz anders: Da lag die Zustimmung für die Amtsführung des OB bei über 60 Prozent.

Langzeitvergleich

Quelle: GMA | Grafiken: Teufel

In einer Stellungnahme erklärt Dr. Vöhringer, dass er das Ergebnis „ernst nimmt“, aber als Momentaufnahme am Ende der „langwierigen Corona-Zeit“ sieht. Der OB bezweifelt außerdem, dass „die Ergebnisse die Meinung aller Bürger widerspiegelt“ In der Erklärung von Dr. Vöhringer heißt es: „Mir ist der direkte Kontakt zu den Bürgern besonders wichtig, und da hatte ich gerade in letzter Zeit sehr positive Rückmeldungen erhalten. Dennoch nehme ich das Ergebnis sehr ernst und frage mich, woran liegt das und was kann ich verbessern.

„Beurteilung der Ergebnisse ist schwierig“

Das Umfrageergebnis ist eine Momentaufnahme aus dem Sommer 2022, die erst jetzt veröffentlicht wird. Wie wir alle aus Wahlumfragen wissen, schwanken Stimmungen enorm. Insofern ist die heutige Beurteilung der Ergebnisse schwierig. Was war im Sommer 2022? Wir hatten eine langwierige Corona-Zeit hinter uns, verbunden mit gesellschaftlichen Spannungen. Möglichkeiten für den sozialen Kontakt waren in der Pandemie eingeschränkt und Veranstaltungen haben gefehlt, die das Gemeinschaftsgefühl und auch das Band zwischen Politik und Bürgerschaft stärken.

Auch wenn diese Antwort unpopulär ist, so haben wir doch kritische Fragen an die Durchführung der Umfrage. Nach unserem Kenntnisstand bezweifeln wir, dass die Ergebnisse die Meinung aller Bürger widerspiegeln. Eine Teilnahme an der Umfrage war über die Homepage der SZ/BZ möglich. Getreu der schwäbischen Mentalität, „ned g’schimpf, isch g’lobt gnuag“, würde es nicht überraschen, wenn eher diejenigen teilgenommen haben, die unzufrieden sind, statt derer, die zufrieden sind. Für ein fundiertes Meinungsbild ist eine Zufallsauswahl von entscheidender Bedeutung und üblich. Wenn diese dieses Mal nicht wie bei den früheren Telefonbefragungen gegeben ist, öffnet das Tür und Tor für eine Verzerrung der Ergebnisse.

„Wir müssen schneller werden“

Nichtsdestotrotz nehme ich das Ergebnis der Umfrage natürlich selbstkritisch an. Es gibt Themen und Abläufe, bei denen wir besser werden können und müssen. Trotz aller Ressourcen- und Personalengpässe müssen wir bei Projekten schneller werden. Wir müssen Verzögerungen und Hindernisse transparenter und offensiver kommunizieren. Häufig ist in der Öffentlichkeit gar nicht bekannt, warum Projekte nicht weiter vorangehen.

Großprojekte, wie die Sanierung der Marktplatztiefgarage oder die Entwicklung des Post-Voba-Areals, brauchen selbst bei planmäßigem und zügigem Projektfortschritt viele Jahre bis zur vollständigen Umsetzung. Wir haben zudem weiteren Handlungsbedarf an der Schnittstelle zwischen Gemeinderat und Verwaltung. Auf jeden Fall freue ich mich aber über jede konstruktive Kritik, weil sie mir und uns die Möglichkeit bietet, an Problemfeldern zu arbeiten.“

CDU: „Note 2 für den OB“

Aus Sicht von Walter Arnold, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, „ist es richtig, dass von vielen Seiten zum Teil berechtigter Unmut geäußert wird. Es gibt Schwachstellen, was zeitliche Abläufe und rasche Entscheidungsfreudigkeit betrifft. Zu viele Gutachten, Lenkungsgruppen und Beteiligung von Interessensgruppen, um alle zu hören, es allen recht machen und ja nichts falsch machen. Das führt auch dazu, dass man sich ums letzte Detail kümmert und dadurch ein unendlicher Prozess entsteht“, so Walter Arnold. Arnold lobt, wie vorbildlich der OB die Corona-Krise und das Ukraine-Thema gemanaget hat. Außerdem: „Die Maßnahmen für Innenstadt und Einzelhandel sind sehr positiv. Sein Engagement in Sachen Europa ist etwas hoch, aber für die Stadt positiv. Mein Fazit: Ich gebe dem OB für seine Amtsführung die Note 2.“

Grüne: „Viele Termine werden verschoben“

„Auch wir von den Grünen merken, dass OB Vöhringer eine gewisse Amtsmüdigkeit erkennen lässt“, sagt die Fraktionsvorsitzende Sabine Kober. Offiziell wird es nie keine Bestätigung geben, aber der OB ist seit Jahren an 2 bis 3 Tagen die Woche außer Haus, um seinen Aufgaben auf europäischer Ebene nachzugehen. Deshalb bleibt im Rathaus viel liegen, viele Sitzungsvorlagen schaffen es nicht in die Gremien. Diese Anzahl ist geschrumpft. So sind nach vorläufigem Sitzungskalender 2023 nur 6 Gremienrunden geplant. Dieser Umstand lässt viele der jungen und motivierten Mitarbeitenden verzweifeln und sie verlassen das Rathaus.

So entsteht ein Teufelskreis, der sich durch Fachkräftemangel in allen Ämtern niederschlägt. Viele Termine mit der Verwaltung werden verschoben, es gibt keine verlässliche Planung für die Stadträte.“

Freie Wähler: „Intransparente Abläufe“

In unserer Fraktion, sagt Dr. Dorothee Kadauke, Fraktionsvorsitzende der Ferien Wähler, „werden die trägen Handlungsabläufe mit zunehmendem Ärger beobachtet. Sei es, dass die Verwaltungsspitze Dinge hinaus zögert oder dass die Gründe in den Ämtern liegen. Dazu kritisieren wir zunehmend die intransparenten Abläufe. Eine solche Politik passt nicht in die heutige Zeit, zumal wir gerne aktiv an Beratungen mitwirken würden. Wir haben oft das Gefühl, dass Dinge ausführlich bearbeitet wurden, wir aber nicht im Prozess gefragt wurden. Bei früherer Information und mehr Transparenz könnte man viele Fragen im Vorfeld der Entscheidung klären.“ Positiv sieht Dr. Kadauke, „dass in den Krisen der letzten Jahre die Verwaltungsspitze rasch und effektiv gearbeitet hat. Solche Entscheidungsfreude und kurze Wege würden wir uns auch im Tagesgeschäft wünschen.“

SPD: „Der OB wirkt dünnhäutig“

„Die SPD-Fraktion wundert dieses Ergebnis nicht“, sagt ihr Vorsitzender Axel Finkelnburg. Es gebe von Seiten des OB „keine Visionen zum Thema 'Wie soll die Stadt zukünftig aussehen?' Erste Priorität haben beim OB offensichtlich seine Aufgaben in Europa. Neue 'Baustellen' werden aufgemacht (Zielbild, Townhall-Meeting, Zukunftsteam, etc.), 'alte Baustellen' aber nicht zu Ende gedacht und fertig gemacht. Die Prozesse dauern sehr lang und die Verwaltung hat ganz offensichtlich eine „Gutachteritis“.

Ergebnisse aus Bürgerbefragungen landen in Schubladen und viele Bürgerinformationen sind reine Alibi-Veranstaltungen. Ein großes Problem ist die fehlende Kommunikation bei wichtigen Projekten, wie beim Post-Voba-Areal, der Tiefgarage oder der Sanierung des Badezentrums. Projekte laufen zu langsam, zäh oder gar nicht. Zum Beispiel „Hirsch“ oder Ratskeller“, so Axel Finkelnburg.

FDP: „Immer noch kein Haushalt 2023“

„Es fällt mir leider schwer, die Amtsführung unseres OB in den letzten Jahren zu verteidigen“, sagt Andreas Knapp, der Vorsitzende der FDP-Fraktion. Die letzten Jahre waren aus seiner Sicht „geprägt von einer zunehmenden Antriebslosigkeit der Verwaltungsspitze – schnelle und brauchbare Ergebnisse gibt es nur dann, wenn politischer Druck von außen kommt. Selbst gesetzliche Vorgaben werden nicht mehr eingehalten: Sindelfingen verfügt noch immer über keinen Haushaltsplan für 2023. Während andere Verwaltungen ihren Gemeinderäten derzeit die geprüften Jahresabschlüsse für das Jahr 2021 vorlegen, wird in Sindelfingen gerade am Jahresabschluss 2014 (!) gearbeitet. Im kommenden Monat werden wir über die Feststellungen des Rechnungsprüfungsamts für das Jahr 2013 (!) beraten.“

Die Linke: „Zögerliches Herangehen“

„Die Unzufriedenheit richtet sich nicht nur gegen den OB, sondern gegen die Kommunalpolitik allgemein“, sagt Richard Pitterle (Die Linke). „Aber es kommt hinzu, dass eine Grundstimmung wahrnehmbar ist, in der Innenstadtentwicklung, der Digitalisierung und beim bezahlbaren Wohnungsbaus herrsche Stillstand. Diese hat auch mit dem zögerlichen Herangehen von OB Vöhringer zu tun. Im Gegensatz zu vielen Kritikern finde ich das Engagement des OB auf europäischer Ebene sehr lobenswert, bedauere jedoch, dass er die Erkenntnisse nicht in der lokalen Politik umsetzt“.

GMA: „Die Ergebnisse sind repräsentativ“

Antwort auf die Kritik an der Umfrage Seit 2004 werden die Befragungen zum SZ/BZ-Bürgerbarometer von einer der renommiertesten Marktforschungsinstitute in Deutschland durchgeführt, der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, Ludwigsburg (GMA). Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer sieht die aktuelle Durchführung der Umfrage kritisch. Dr. Maren Risel, Leiterin Markt- und Meinungsforschung der GMA erklärt die Validität und Methodik des Bürgerbarometers folgendermaßen.

Zur Güte der Befragung (Validität): „Die Ergebnisse des Bürgerbarometers 2022 sind repräsentativ hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung der Sindelfinger und Böblinger Bevölkerung über 16 Jahren. Generelle statistische Verzerrungen sind nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine breite Befragung zu verschiedenen Themenfeldern rund um Sindelfingen und Böblingen. Eine Verzerrung der Ergebnisse einzelner Fragen ist daher unwahrscheinlich.

Zur Vorgehensweise der Befragung (Methodik): Das Bürgerbarometer 2022 wurde als digitale Befragung durchgeführt. Diese Methodik ist mittlerweile Standard. Mit den früher üblichen telefonischen Befragungen wird nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung erreicht, da viele Menschen – vor allem jüngere, aber auch ältere Personen – keinen Festnetzanschluss mehr haben, oder diesen nicht mehr veröffentlichen. Aus diesem Grund bietet die GMA telefonische Befragungen mittlerweile standardmäßig nicht mehr an.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass keine signifikanten Abweichungen der Ergebnisse von digitalen und telefonischen Befragungen bestehen. Per Definition haben auch repräsentative Umfragen niemals Anspruch auf absolute Exaktheit, sie spiegeln jedoch Trends und Tendenzen zum Zeitpunkt der Befragung mit hoher statistischer Zuverlässigkeit wieder.“

Hier geht es zum Standpunkt von Jürgen Haar

Info

Zum 7. Mal seit 2004 hat die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung im Auftrag der SZ/BZ in Sindelfingen und Böblingen eine repräsentative Einwohner-Umfrage durchgeführt. Im SZ/BZ-Bürgerbarometer werden in einer großen Serie die Ergebnisse samt Grafiken, Reportagen und Interviews veröffentlicht.

Die nächste Folge erscheint am Mittwoch, 1. März: „Wie bewertet Böblingens Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz die Ergebnisse des SZ/BZ-Bürgerbarometers?“

Alle Folgen gibt es im Dossier unter www.szbz.de