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Musikvideo

Sindelfingen: Ein kapriziöser Meistercoup im Video der Hanke-Brüder

Die Hanke-Brothers haben ein Musikvideo auf Schloss Weikersheim gedreht, und bewegen sich zwischen Renaissance- und Popularwelten.
Von Bernd Heiden
In ihrem brandneuen Musikvideo spielen die Hanke Brothers das Stück „Caprice“.

In ihrem brandneuen Musikvideo spielen die Hanke Brothers das Stück „Caprice“.

Bild: Z

Sindelfingen. Für das lustvoll augenzwinkernde Spiel mit den etablierten Regeln steht in der Musikgeschichte seit Jahrhunderten die Laune parat. Natürlich unter dem viel offiziöser klingenden Gattungsnamen Capriccio. Auf dem Silbertablett servieren somit die Hanke-Brothers ihre Einreihung in eine große Tradition in ihrem brandneuen Musikvideo. In dem performen sie „Caprice“, eine Komposition aus der Feder des Tastenhüters unter den vier Brüdern, Pianist Jonathan Hanke.

Renaissance bis Barock

Als Drehkulisse für das Video hat sich das Brüderquartett die prunkvollen bis anmutigen Säle und Gärten der Anlage von Schloss Weikersheim gewählt. In der vom Baustil der Renaissance bis zum Barock umflorten Schlossanlage inszeniert das Quartett an einer Handvoll Orten einen Mix aus Platz- und Wandelkonzert.

In einer Szene indes zieht Bratschist Lukas das Klavier durch den Park, während Flötist David schiebend hilft und Pianist Jonathan im Seitenschritt die Klaviatur bearbeitet. Nur Fabian hat in dem Ausschnitt am Pianola nichts getan. Er trottet Tuba spielend hinterher. Für diese Szene lässt sich das adäquate Genre-Etikett kaum finden. „Umzugskonzert“ wäre schicklich, wenn sich dazu die Assoziation „Karnevalsumzug“ fernhalten und die Bedeutung Umzug im Sinne von Wohnungswechsel stabilisieren ließe.

Eine karnevaleske Note

Nur, eine derartige semantische Zementierung versucht man wohl vergeblich. Denn nicht nur diese Szene verleiht dem Video eine unstrittig karnevaleske Note. Die schwingt ohnehin bereits im Kompositionstitel „Caprice“, auch übersetzbar als wunderlicher Einfall, mit. Womit man schon am Nukleus des Ganzen ist.

Das zwischen Albernheit und hochherrschaftlicher Repräsentationshistorie des altehrwürdigen Schlosses changierende Video bildet auf dieser hybriden optischen Ebene nur ab, was die Komposition „Caprice“ selbst realisiert.

Bunter Strauß an Inspirationsquellen

Sie entfaltet in nur etwas mehr als vier Minuten ein arabeskes Tonkunstwerk, das gewöhnlichere Ordnungen zu irritieren versteht. Beim ersten Oberflächenhören wird man einen wohllaunigen Mix aus Groove und fröhlicher, nur einmal verhaltensauffällig ins Elegische kippender Melodie identifizieren, mit einem bunten Strauß an Inspirationsquellen: Diese reichen von Barock und Klassik bis Folk und kontemporärer Popularmusik.

Die Experten kichern

Dann ertappt man sich dabei, dass genaueres Hören zu immer noch genauerem Hören förmlich nötigt. Eine Rezeptionserfahrung vergleichbar einem Klassiker der postmodernen Literatur, Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“. Der entfaltet im ersten Anlauf Sogkraft auf Krimifans, während Philosophie- und Linguistikprofessoren da schon kichern über Mittelaltermönche, die mit Argumenten aus dem 20. Jahrhundert hantieren und bei genauerem Hinsehen gar ihre kriminalistische Ermittlung nach der abduktiven Logik des US-Philosophen C.S. Peirce strukturieren.

Freilich wird sich ein vergleichbarer Aha-Effekt bei „Caprice“ auch nur für jene einstellen, die sich wenigstens kurz klar machen, um was es sich bei der Gruppe „Hanke Brothers“ eigentlich handelt: In gewisser Weise auch um eine Laune der Natur. Ohne Verbrüderung jedenfalls wird kaum jemand auf den Gedanken kommen, Blockflöte, Bratsche, Tuba und Klavier in einem Quartett zu vereinigen. Denn das ist eine unmögliche Besetzung. „Caprice“ nun zeigt nicht zuletzt Komponist Jonathan auf absoluter Schaffenshöhe: Hier werden auf knappem Raum nicht nur extrem viele Einflüsse verdichtet, mit dem Aufploppen von Choral bis Blues, Hymnus und krummtaktigem Powerpop.

Genialische Anmutung

Genialisch mutet die nun nach einigen Jahren Ausprobieren, Lernen und Studieren hier zu hörende Gleichberechtigung und Verwendung der Instrumente an. Der Rollenwechsel zwischen melodischer Führung und Begleitung, Haupt- und Nebenstimmen wechselt in wuseligem Fluss. Mal leuchten die konzertanten Funken nebenbei in der Tuba, mal lässt die Flöte die Virtuosität im Vordergrund tanzen, während kurz danach die Bratsche einen Kurzsprint unter einer ruhigen Flötenmelodie hinlegt und unverzüglich sich alle in einem kantig-groovigen Unisono-Gefüge vereinigen.

„Caprice“ ist somit der musikalische Ausdruck für das, was sich optisch bei den Konzerten des Brüder-Quartetts seit je erleben lässt: Musik, die ganz viele Menschen und Generationen anspricht, von jungen Kindern bis zum Kirchenmusikdirektor und darüber hinaus.

Info

Das Musikvideo findet sich unter dem Link https://youtu.be/YBlHz4WiYFY?si=mpZZ29ZIDKW8RE9t